Hand sticken Handarbeit warum handgearbeitet ein wichtiger Wert für mich ist

Die Inhalte dieses Blogartikels

Wenn meine Mama Geschichten aus meiner Kindheit erzählt, betont sie immer wieder, dass ich neben sämtlichen Tätigkeiten – egal ob beim Autofahren, Haare Kämen oder Fernsehschauen – immer irgendetwas in der Hand gehalten habe. Das konnte ein Gegenstand sein, ein Kuscheltier, Steine, Stöcke oder sonstiges. Meine Hände wollten immer etwas greifen und bewegen. Das ist ist bis heute so geblieben. Ich liebe es, gemütlich auf dem Sofa, auf einer Wiese oder am Strand zu sitzen und meine Hände dabei mit einer Stickerei zu beschäftigen. Über diese handgearbeiteten Ergebnisse freue ich mich immer besonders. Wieviel für mich hinter diesem Begriff steht, liest du in diesem Blogartikel. Disclaimer vorweg: es geht teilweise auch um die unmenschlichen Seiten der Textilindustrie.

Du kannst das Ergebnis deiner Arbeit in den Händen halten

Viele meiner Kursteilnehmer*innen erzählen mir, dass sie nähen oder sticken lernen möchten, weil sie am Ende ein Objekt mit nach Hause nehmen können, das sie mit ihren eigenen Händen hergestellt haben. Sie sind darüber sehr glücklich, denn sie können anfassen, was sie die letzten Stunden über erstellt haben. Das spricht unseren Tastsinn an und gibt uns ein spezielles Gefühl der Befriedigung, das wir in unserem digitalisierten Alltag nur noch selten erleben. Viele arbeiten rein am Bildschirm, papierlos, verbinden, vernetzen, erstellen Projekte, die vielleicht nie zum Abschluss kommen und es bleibt am Ende des Tages die Frage: Was habe ich heute eigentlich gemacht? Das Bedürfnis des Menschen Dinge und Ergebnisse seiner Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes zu be-greifen wird nicht mehr erfüllt. Dadurch stellt sich oftmals die Sinnfrage der jeweiligen Aufgabe. Durch die Corona-Pandemie haben wir erfahren, dass jede Arbeit, jeder Posten und jede Stelle einen Sinn ergibt, eben doch systemrelevant sind und nicht einfach gestrichen werden können ohne dass das System zusammenbricht. Auch Berufe außerhalb des Versorgungssektors und des sozialen Bereiches sind wertvoll, denn sie erfüllen die Bedürfnisse des Menschen nach Freude, Ablenkung, Kreativität oder Selbstverwirklichung. Nicht umsonst ist die Kulturbranche die größte in Deutschland. Handarbeiten wie nähen, sticken, häkeln oder ähnliches lassen uns den Sinn und das Ergebnis von Arbeit wieder erfahren. Ich denke, dass die Kreativbranche auch deshalb so boomt und in Zukunft attraktiv bleiben wird, nachdem sie lange als verstaubt und uncool galt.

Der Wert von Textilien

Deutschland, so wie viele weitere Industrienationen, hat die Handarbeit und vor allem die industrielle Produktion im Textilbereich weitgehend in sogenannte Niedriglohnländern wie Bangladesch oder Indien ausgelagert. Dieser Arbeit wird keinen Wert mehr beigemessen. Ein T-Shirt für 5 Euro oder eine Jeans für 20 Euro erzählt nichts über die vielen Arbeitsstunden, die meist unter unmenschlichen Bedingungen entstanden sind. Diesen Aspekt verschweigt uns die Modeindustrie, denn wer kauft gerne wissentlich Produkte aus ausbeuterischen Betrieben (Sweatshops), die uns an das Europa des 19. Jahrhundert erinnern. Wir denken, so etwas gibt es nicht mehr. Doch wir haben diese Problematik einfach nur aus unserem Sichtfeld in weitentfernte Länder und Lebensrealitäten verschoben. Laut Studien beschäftigt jede*r Deutsche 30 bis 50 Sklav*innen in Form von Zwangsarbeit und Kinderarbeit. Diesen Fakt versucht das Lieferkettengesetz, das seit 2020 in Deutschland eingeführt wurde, zu ändern. Doch es sind noch große Anstrengungen seitens der Politik nötig, um die Probleme wirklich an der Wurzel zu packen.

Wenn wir beginnen ein Kleidungsstück selbst zu nähen oder zu besticken, erfahren wir, welchen Wert Textilien tatsächlich haben. Schon alleine Stoffe für ein Nähprojekt kosten mehr Geld, als ein fertiges Industrieprodukt. Und dann kommt da die Zeit dazu, die wir aufwenden, um es zu erstellen. Oft sind es viele Stunden. Immer wieder stelle ich fest, dass die langlebigsten Kleider in meinem Schrank selbstgenähte oder verschönerte sind. Nicht weil sie unbedingt eine bessere Qualität haben, sondern weil ich mich schwerer von ihnen trenne, denn ich weiß wie viel Zeit und Arbeit in sie hineingeflossen sind. Mein Herz hängt an ihnen, weil ich ein Stück von mir gegeben habe. „Mit Liebe gemacht“ ist nicht nur ein kitschiges Etikett zum Einnähen, sondern hat tatsächlich seine Berechtigung.

Handgearbeitete Textilien als Speicher der Erinnerung: assoziatives Sticken

Meine selbst gemachten Projekte haben noch eine weitere Dimension: sie speichern Emotionen und Erlebnisse, die ich während ihrer Erstellung durchlebt habe. Beispielsweise habe ich während unserer Reise durch Südostasien einige Broschen und Stickereien kreiiert. In einer kleinen Stickerei habe ich den Ausblick über das türkise Meer, die grünen Palmen und magentafarbenen Blüten am Balkon festgehalten. Ich lag dort stundenlang in der Hängematte einen Kokosdrink schlurfend und in den Tag hinein träumend. Wenn ich heute die Stickerei betrachte, fühle ich wieder die feuchte Wärme Thailands, rieche den Blumenduft und spüre die Entspannung. Denn mein Körper hat das Gefühl von damals mit meiner Handarbeit verknüpft.

Stickrahmen mit Palmen, Meer und Blumen
Festgehaltene Entspannung: Mein Ausblick am Strand von Ko Mak in Thailand

Ein großer Schatz, den wir uns gezielt zu nutze machen können. Wir können uns im wahrsten Sinne entspannt sticken und den Zustand im Nachhinein wieder abrufen. Auch Gespräche, Filme oder andere Inhalte, die wir während einer Handarbeit gehört oder gesehen haben, können uns ins Gedächtnis kommen, wenn wir unser Werk wieder in die Hand nehmen, befühlen oder betrachten. Diese Verknüpfung oder Assoziationen können wir bewusst erstellen. Ich nenne das „assoziatives Sticken“. Wie das funktioniert, erprobe ich gerade in meiner 366-Tage-Stick-Spaß-Challenge auf Instagram. Hier gehe ich täglich einmal live und übersetze Erlebnisse aus meinem Tag in eine Stickerei, die mich auch im Nachhinein noch an jeden einzelnen Tag erinnern soll. Sei gerne dabei und sticke gemeinsam mit mir. Jeden Tag gibt es einen neuen Stickstich, den ich erkläre.

Was ich bewirken möchte

Natürlich weiß ich, wie schwierig es ist, ethisch korrekt produzierte Kleidung zu kaufen. Mein Kleiderschrank spricht hier Bände. Das ist leider ein strukturelles Problem, gegen das jede*r Einzelne*r nur mit viel Anstrengung und Kraftaufwand ankämpfen kann. Mir geht es mit der SchöneDingeMacherei darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Vielleicht ist dein nächstes T-Shirt secondhand gekauft oder selbst genäht?

Den Wert von Handarbeit zu vermitteln, ist das grundlegende Ziel meiner Kurse. Ich finde es auch besonders wichtig, Kindern erfahrbar zu machen, dass Textilien und Kleidung gut behandelt werden müssen, weil sie einen Wert haben. Durch ein kleines Stick- oder Nähprojekt wird ihnen das ganz von selbst bewusst. Wenn du oder deine Kinder Lust auf einen Stickkurs online oder vor Ort haben, melde dich gerne bei mir. Im Raum München komme ich mit dem Material zu dir nach Hause und wir verwandeln dein Wohnzimmer in die SchöneDingeMacherei!

1 Kommentar zu „Warum „handgearbeitet“ ein wichtiger Wert für mich ist“

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